Diese Massen an Stoffresten, die bei annähernd jedem Projekt übrig bleiben, nerven mich. Immer bleibt was übrig, aber selten reicht es für ein neues, sinnvolles und schönes/ansprechendes Projekt – mal abgesehen von Kinder-Pullis oder Kleidchen oder Beanies… aber wie viele Beanies braucht der Mensch?
Da kam Isflak wie gerufen. Im August sah ich diesen neu gelaunchten Schnitt von Kystbarn auf Instagram und war sofort überzeugt: Ein Hoodie, besser gesagt ein Troyer, der sich perfekt zur Verwertung all der Sweat-Reste eignet. Den musste ich sofort haben. Das wird ein Colourblocking Troyer, das war mir direkt klar.
Und hier wie immer der Überblick:
Schnittmuster: Isflak von Kystbarn
Stoff: Verschiedene Reste aus verschiedenen Shop
Zum Schnitt Isflak-Hoodie und zum Label
Dem Label Kystbarn folge ich schon länger. Steffi, die Label-Inhaberin, hat sehr schöne Schnitte für Webware, v.a. Hoodie-Schnitte, die sich für mein Empfinden aus der Masse der Hoodie-Schnitte etwas abheben. Ich mag zwar den Apfelschick-Style nicht so (einfach nicht meine Muster), aber die Grundschnitte sind richtig gut. Bei Isflak sind es die tollen Eck-Elemente, die sich durch den Schnitt ziehen. Außerdem der lange Reißverschluss mit aufklappendem Kragen (oder Kapuze). Ein wirklich wandelbarer Schnitt, der in einigen Varianten genäht werden kann: Mit kurzem oder langem Reißverschluss-Einsatz, mit Kapuze oder Kragen, mit Teilungen oder ohne, mit Bündchen oder ohne.
Der Schnitt Isflak ist mir aber auch ins Auge gesprungen, weil er sich super zur Resteverwertung und zum Colourblocking eignet. Da sich bei mir einiges an Sweat in unterschiedlichen Qualitäten angesammelt hat, habe ich mein Glück direkt probiert. Der Zuschnitt war ein großes Gepuzzel, aber tatsächlich kam ich mit meinen Resten gut aus und bin zufrieden mit dem Stoffabbau. Noch schöner wäre es gewesen, wenn der lilafarbene Sweat noch für die Schultern gereicht hätte. Das wäre noch stimmiger.
Wichtig war mir bei diesem Projekt, dass der Hoodie zur Longvest getragen werden kann (hier geht’s zum Beitrag). Das klappt erstaunlich gut, ohne dass ich wie ein großer bunter Clown aussehe – leider habe ich kein Foto, um euch abstimmen zu lassen. Ich habe beim Stoff-Puzzeln darauf geachtet, dass ich an den Ärmeln flauschigen, dickeren Sweat verwende, damit das Tragen zur Weste auf jeden Fall funktioniert.
Geduldsspiel: Der Zuschnitt und das Nähen von Isflak
Das Vorbereiten des Schnittes war sehr aufwändig und mit viel Konzentration verbunden. Es sind sehr viele Schnittteile auf einem sehr vollen Schnittbogen. Da der Schnitt in mehreren Versionen genäht werden kann, wird nicht jedes Schnittteil für jede Version benötigt. Dadurch musste ich sehr konzentriert arbeiten, um nichts zu übersehen und nicht zu viel auszuschneiden. Bei meinem Resteprojekt hätte jeder Fehler im Zuschnitt unter Umständen das Ende des Hoodies bedeutet.
Bei der Vorbereitung der einzelnen Schnittmusterteile musste ich bei den Größen sehr genau hinschauen. Teilweise sind die Linien nicht durchgezogen. Teilweise stimmte die Übersicht der Linienart je Größe nicht. Vermutlich hätte ich Ebenen drucken müssen – hatte ich vergessen zu prüfen, ob dies möglich ist oder nicht. Es wäre möglich gewesen, also selber schuld.
Ebenso selber schuld bin ich an der Konzentrationsübung, was ich denn genau alles brauche… denn… hätte ich in der Anleitung einfach mal ein wenig weitergeblättert, hätte ich alle Infos auf einen Blick gehabt. Es folgt das ABER…
Isflak nähen… lost in Ecken…
Das große Aber: Die Anleitung mit fast 200 Seiten!
Sehr ausführlich, sehr akribisch – vielleicht in manchen Momenten zu ausführlich. Deshalb hatte ich vermutlich auch die Schnittteile-Übersicht am Anfang übersehen. Vielleicht wird hier etwas zu viel gewollt? So wird z.B. das Nähen der Ecken, bei jeder Ecke aufs Neue en detail erklärt. Das ist auf der einen Seite schön für alle Näh-Anfänger*innen, auf der anderen Seite bläht es die Anleitung sehr auf. Und unter uns: Anfänger*innen würde ich von diesem Schnitt eher abraten. Die vielen Varianten, die Kragen-Verarbeitung und auch die vielen Ecken, sind nicht anfängertauglich.
Das Nähen war ansonsten eine große Freude. Ich ging Schritt für Schritt vor, hielt mich an die Anleitung, bügelte brav auf jede Ecke im Vorfeld ein wenig Nahtband, um stabile Stoff-Teile zu haben, nähte Ecke um Ecke und Kante um Kante. Die vielen Ecken ließen sich mit der Anleitung sehr gut nähen und gingen immer leichter von der Hand. Wer also schöne Ecken nähen üben möchte, sollte sich an einem Isflak versuchen.
An manchen Punkten der Anleitung wäre es schöner gewesen, wenn Infos früher genannt worden wären. Z.B. wird die Länge des Reißverschlusses nicht direkt genannt, wenn man den RV das erste Mal zur Hand nehmen muss, sondern erst in einem zweiten Schritt. In der Materialliste steht lediglich Endlos-RV. So stellte ich mir die Frage, wie lange er denn ungefähr sein musste, um mit der Verarbeitung überhaupt zu beginnen. Eine Antwort gab es erst nachdem der RV mit Wondertape drapiert wurde – also mindestens drei Anleitungs-Seiten später. Für mich zu spät – zum Glück habe ich intuitiv eine passende Länge zugeschnitten.
Ferner wird beim Befestigen des Wondertapes nicht darauf hingewiesen, dass dieses in einem späteren Schritt wieder entfernt wird und man es vielleicht nicht ganz so fest aufbringen sollte… ja… dumm gelaufen… ich drückte extra fest den Kleber auf, damit sich auf keinen Fall etwas löst. Mit dem Ergebnis, dass ich das Wondertape nun gar nicht mehr abbekomme und der RV dadurch verklebt wird und sich nur sehr schwer öffnen und schließen lässt. Mal schauen, ob das durch eine oder zwei Wäschen besser wird.
Beim Zusammensetzen von Innen- und Außenteil mit Reißverschluss und Kragen musste ich mein Hirn sehr verrenken, um der Logik des Schnittes folgen zu können. Hier fand ich diese ausführliche Anleitung zu knapp gehalten und wurde auch aus den Bildern nicht mehr schlau. Der Hoodie ist in der oberen Passe mit dem Reißverschluss gedoppelt und dadurch entstand ein rechts-auf-rechts Kuddelmuddel in meinem Kopf. Da half nur viel Stecken, Ausprobieren, Umstecken, Aha-Effekte bejubeln und weitermachen. Gerade dieser Teil hat wirklich lange gedauert.
Das sind jedoch nur kleinere Kritikpunkte, in dieser wahrlich umfassenden Anleitung. Bestimmt ist dieser Troyer / Hoodie kein Anfängerprojekt. Mit etwas Näherfahrung kann man den Schnitt jedoch gut meistern.
Und jetzt folgen tolle Bilder aus dem heimischen schwarzen Wald. Vielen Dank dafür an Melanie (500 Days of Sewing) für den Foto-Spaziergang in der Heimat.
Fazit zum Colourblocking Troyer Isflak
Ganz ehrlich: Ich bin begeistert.
Die Passform ist für mich perfekt. Ohne Änderung. Der Hoodie ist enganliegend ohne einzuengen, er ist nicht oversized und dennoch super bequem und kuschelig. Genau so einen Hoodie/Troyer wollte ich haben. Noch dazu ist es ein schönes Kuschel-Teil komplett aus Stoffresten. Die letzten Tage lebe ich in meinem Isflak.
Kanntet ihr das Label Kystbarn? Ich gestehe, wenn mir die Stoffe der Designbeispiele nicht gefallen, bin ich häufig schnell weg und verfolge das Label nicht mehr. Bei Kystbarn bleibe ich irgendwie dran, weil die Schnitte immer nette Details haben – zum Glück. Sonst hätte ich Isflak verpasst.
So und jetzt husche ich rüber und bin ganz glücklich, dass wir hier im Süden heute einen MeMadeMittwoch-Feiertag haben. Auf zum Laufsteg der MeMade-Ladies, den heute Melanie mit ihrer tollen Regenhose eröffnet!
200 Seiten *schock* – da hätte ich EINIGES überlesen 😀 Sowas schreckt mich auch immer von „Indie-Labels“ ab, da man nie weiß, was man bekommt. Daher kenne ich auch kaum welche.
Die Idee der Restverwertung gefällt mir allerdings sehr. Und du hast sie sehr gelungen umgesetzt. Sehr schön.
Liebe Grüße Tina
Zum Glück kann man von den 200 Seiten einige überblättern… vor allem wenn man eine Ecke genäht hat. Am schwierigsten fand ich es, den Überblick zu behalten – vor allem, wenn man die Anleitung mal schließen musste. Hier lagen daher immer mehrere Post-its mit allen Infos, der aktuellen Seite etc.
LG Miriam
Das ist wirklich ein toller Pulli und die vielen eckigen Details sehen nicht nur toll aus sondern auch sehr professionell. Respekt, da hast du ganz Arbeit geleistet. Eine Anleitung mit 200 Seiten wären für mich definitiv ein K.O Kriterium für einen Schnitt – so wird es wohl vielen gehen….. und Du hast eines der wenigen Exemplare die jemals nach diesem aufwändigen Schnitt genäht werdn 🙂
vielleicht nähst du gleich noch eine Kleid-Version hinterher, wo Du alle Tücken kennst? LG Kuestensocke
Danke dir!
Eine Kleid-Version könnte tatsächlich meine aktuelle Weihnachtskleid-Frage lösen, allerdings habe ich fürs Erste genug von Ecken…
LG Miriam