Mit dem NĂ€hen ist das ja so eine Sache. Einerseits ist es total schön, zu sehen, wie ein neues KleidungsstĂŒck oder Heimtextilien, Taschen etc. entstehen. Selbstgemacht. Ich bin jedesmal stolz wie Bolle, wenn ich wieder ein Teil fertig habe. Vermutlich bin ich dann die Tage darauf auch immer ein gutes StĂŒck gröĂer đ
Aber andererseits…
…ist der Weg bis dahin manchmal steinig und hart. In meinen ersten NĂ€h-Erinnerungen sehe ich meine Mutter vor mir, die jedes Jahr nach Silvester zur NĂ€hmaschine griff, um ein tolles, wunderschönes FastnachtskostĂŒm zu schneidern. Das hatte aber selten was Idyllisches, sondern bestand meistens aus viel Gefluche und Gestöhne, weil es mal wieder nicht lief.
(Zugegeben: Es waren hĂ€ufig echt schwere Sachen dabei wie „mal eben einen Frack nĂ€hen“ oder „20 Meter TĂŒll krĂ€useln“ oder „mehrere Lagen dicker / rutschiger / fusselnder Stoff zu locker schwingenden Röcken verarbeiten“.)
Aber das Ergebnis war immer: Herausragend und toll. Erinnert mich, dass ich euch Bilder schuldig bin đ
Warum ich trotzdem NĂ€h-Nerdin bin?
Ich selbst verzweifle meist an meiner UnfÀhigkeit, mangelnder Feinmotorik, zwei linken HÀnden und/oder absoluten VerstÀndnisproblemen.
Und dennoch: Es macht mir unglaublich viel Spaà und lÀsst mich vor allem abschalten. Insgesamt finde ich nÀmlich, dass NÀhen zur Entschleunigung beitrÀgt und einen echten Entspannungsmoment hat. Durch die Konzentration und den Fokus auf die Arbeit mit dem Stoff und an der NÀhmaschine lÀsst man alles, was einen beschÀftigt, alle Termine, alle Stressfaktoren ganz unbewusst und automatisch hinter sich.
Zumindest ich bin beim NĂ€hen nicht Multitasking-fĂ€hig. Da heiĂt es volle Konzentration auf das, was da entstehen soll. Da blende ich alles, was rechts oder links, vor- oder hinter mir passiert, komplett aus und bin nur fĂŒr dieses StĂŒck Stoff, die Nadel und den Faden da. Ohne Kompromisse.
Wichtig: Sobald ich mich an die Maschine setze, schlieĂe ich kurz die Augen, atme tief ein und aus, schĂŒttel mich durch und lege den Schalter um.
Und dann leg ich los und es geht mir gut!
Auch wenn ich Fehler mache, ist das nur selten wirklich schlimm fĂŒr mich. Dann wird eben improvisiert. Das Ergebnis ist selten perfekt und das muss es – zumindest im Moment – auch noch gar nicht sein. SelbstgenĂ€hten KleidungsstĂŒcken, Decken, Kissen, Taschen etc. darf man ansehen, dass sie genau das sind: SELBSTGEMACHT. Nicht von der Stange, aber immer mit Herz.
Gelassenheit, nicht Perfektion lautet das Ziel!
Mir fĂ€llt immer wieder auf, wie viele Menschen um mich herum versuchen, perfekt zu sein. Menschen, die immer und ĂŒberall versuchen, sich und ihr Leben zu optimieren, zu perfektionieren, die keine Fehler zulassen (können/wollen) und sich damit – aus meiner Sicht – unnötig verrĂŒckt machen.
Warum eigentlich?
Warum sind wir nicht mit etwas weniger Perfektion zufrieden und Stolz auf das, was wir mit Gelassenheit und Ruhe erreichen? Ich ertappe mich selbstverstÀndlich auch immer wieder dabei, alles richtig machen zu wollen.
Vielleicht ist genau das der Grund, weshalb ich mich regelmĂ€Ăig an die NĂ€hmaschine setze: Mehr Gelassenheit lernen. Denn beim NĂ€hen weiĂ ich, dass ich noch ganz am Anfang stehe; dass ich nur die Basics beherrsche, dass ich bzw. das Ergebnis nicht perfekt sein mĂŒssen; dass ich stolz sein darf auf jede kleine MĂŒtze, jedes Kissen, jedes T-Shirt und jedes Kinderkleidchen, das fertig auf dem Tisch liegt.
Und das darfst Du auch sein! Sei stolz auf Dich und auf das, was Du jeden Tag leistest!
Ich glaube, ich bin ein wenig vom Thema abgekommen und sollte diesen Beitrag vermutlich von „NĂ€hen zur Entschleunigung“ in „NĂ€hen fĂŒr mehr Gelassenheit“ umbenennen. Aber Gelassenheit fĂŒhrt automatisch zu mehr Ruhe und damit auch zur Entschleunigung.
Wenn das Leben wĂ€hrend des NĂ€hens still steht und alles, was Dich beunruhigt, stresst, nervt, blockiert, in den Hintergrund rĂŒckt, dann befindest Du dich auf dem Weg zu mehr Entschleunigung.
Wie geht euch das? Könnt ihr beim NĂ€hen entspannen? Ist die Arbeit mit Schere, Nadeln, MaĂband, Stoffen, Garn und NĂ€hmaschine fĂŒr euch ein Moment, in dem ihr zur Ruhe kommt? Oder schlĂ€gt euch das Herz bis zum Hals und ihr könntet verzweifeln und durchdrehen, wenn es mal wieder nicht klappt? Ich bin gespannt auf eure Erfahrungen!
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